Zuhören
„Kinder können heutzutage einfach nicht zuhören!“ oder „Mein Kind hört nie!“ So oder ähnlich hast du dich selbst vielleicht schon klagen hören?
Wie kriegen wir Kinder dazu, zuzuhören? Gibt es dafür Tricks und Tools?
Die gibt es tatsächlich.
In meinen Workshops und Beratungen ist der heißest umkämpfte Graben oft: das Zuhören! Kinder tun es einfach nicht. Sie wollen es nicht tun. Oder sie können es nicht. Zuhören wird oft mit folgsam sein assoziiert. Hören=tun was gesagt wird. Erstaunlich aber wahr: Kinder haben ein fantastisches Gehör.
Das beste Tool, damit Kinder zuhören lernen ist: zuhören.
In vielen Bereichen sind wir Erwachsene uns bewusst, dass wir für Kinder Modelle sind. Und dass sie sich Verhaltensweisen bei uns abschauen. Und gleichzeitig denken wir: „Ich muss nur oft genug erklären, dann wird das Kind doch irgendwann zuhören!“
Was sieht und erlebt ein Kind, wenn du auf es einredest? Nimm dir einen Moment Zeit und stelle es dir richtig gut vor. Du bist etwa einen Meter groß und eine Erwachsene erklärt dir etwas. Sie kann dabei freundlich sein oder ungeduldig, auf Augenhöhe oder von oben. Wie fühlst du dich? Was entscheidest du?
Jetzt stell dir vor, du bist fünf Jahre alt und hast ein Anliegen, eine Frage: „Wieso bewegen sich die Wolken von selbst am Himmel?“ und die Erwachsene antwortet: „Was glaubst du, warum sie sich bewegen?“ Was passiert in dir?
In der positiven Disziplin fragen wir immer nach den langfristigen Konsequenzen unseres Tuns. Wenn wir erklären und reden: Wird das Kind dadurch lernen zu denken und Fragen zu stellen? Oder wird es lernen, dass es fertige Antworten gibt?
Stell dir vor: Du bist fünf und neugierig. Und eine Erwachsene erklärt dir die Welt.
Denke an die 2 Listen aus den Workshops der positiven Disziplin: Welche Lebenskompetenzen wünschst du dem Kind in deinem Leben? Vermutlich steht da unter anderem Selbstreflexion, Zielorientierung, Intelligenz, Kreativität, Lebensplanung und vieles mehr. Du hilfst Kindern dabei, diese zu entwickeln, indem sie selber denken dürfen. Und Kinder denken gern!
Es braucht Geduld und Zurückhaltung, nicht der oder die wissende Erwachsene zu sein. Habe den Mut, mit geduldigen Reflexionen so viele Runden zu drehen, bis das Kind für sich eine Lösung gefunden hat. Etwa indem du sagst: „Das ist rätselhaft.“ (auf die Frage mit den Wolken) oder: „Das beschäftigt dich ein bisschen, stimmt’s?“ Wenn Kinder Wissensquellen anzapfen wollen, kannst du ihnen dazu Vorschläge machen. Du kannst vorschlagen:
„Möchtest du auf das Rad der Möglichkeiten schauen, vielleicht ist da eine Lösung dabei?“
„Hast du Lust, in der Bibliothek ein Buch zum Thema Wetter und Wolken zu suchen?“
Fragen und Reflexionen begleiten Kinder darin, ihre eigenen Denkprozesse zu durchlaufen.
Besonders bei Konflikten und Problemen, die Kinder mit uns teilen, ist die offene Frage Gold wert. Du erfährst so viel mehr, wenn du dein Kind erzählen lässt. Reflexionen wie: „Das war bestimmt unangenehm!“ regen an, mehr zu erzählen. Indem es spricht und denkt findet es für sich eine Lösung oder eine Antwort.
Straßensperren der Kommunikation
Thomas Gordon formuliert 12 Kommunikationssperren. Vielleicht hast du Lust, ein kleines Experiment zu wagen? Lies sie durch und überlege dir, wann sie dir zuletzt im Umgang mit einem Kind passiert sind.
- Befehlen, Anordnen, kommandieren
- Warnen, ermahnen, drohen
- Beraten, Vorschläge machen, Lösungen liefern
- Belehren, durch Logik begründen
- Moralisieren, predigen beschwören
- Verurteilen, kritisieren widersprechen, Vorwürfe machen, beschuldigen
- Loben, zustimmen, schmeicheln
- Beschämen, beschimpfen, lächerlich machen
- Interpretieren, analysieren, diagnostizieren
- Beruhigen, Sympathie äußern, trösten, aufrichten
- Nachforschen, fragen, verhören
- Ausweichen, ablenken, aufziehen, aufheitern, Thema wechseln
Diese Kommunikationssperren können Widerstand oder Rebellion auslösen. Sie verhindern, dass die andere Person nachdenkt, reflektiert und lernt. Oder machen es zumindest sehr viel schwerer.
Diese Straßensperren führen in Gesprächen dazu, dass die Person mit dem Anliegen (in unserem Fall das Kind) zuerst die Straßensperre überwinden muss. Beispielsweise muss es erst überwinden, dass der Erwachsene seine Gefühle lächerlich macht und möglicherweise kann es danach nicht mehr weiterdenken. Oder Lob: Du bist ein kluges Kind! Dieser Satz kann dazu führen, dass ein Kind nicht versteht und auch nicht verstehen will, warum ihm eine Prüfung gut gelungen ist. Also hört die Selbstreflexion an dieser Stelle auf.
Warum hilft aktives Zuhören Kindern?
- Weil sie eigene Ideen entwickeln
- Weil ihre kognitiven Kompetenzen gestärkt werden: logisches Denken, Reflexion, explizites Lernen und vieles mehr
- Weil ihre Problemlösekompetenz gestärkt wird
- Weil dein Kind sich dadurch gehört und gesehen fühlt
- Weil sie lernen, zuzuhören
Wie immer gilt: es besteht kein Anspruch auf Perfektion.
Ein Bewusstsein dafür, wie oft wir versucht sind, Kindern (oder auch anderen Erwachsenen) die Welt zu erklären, hilft schon. So schauen sich Kinder ab, was zuhören bedeutet. So bekommen sie die Chance, selbst zu hervorragenden Zuhörenden zu werden.
Tools der positiven Disziplin, die dir dabei helfen
Zu den Tools aus der postiven Disziplin, die zu diesem Thema passen gehört mit Sicherheit: Fragen statt sagen.
Fragen statt sagen ist jedoch ein Tool, das wir dazu verwenden, Kooperation herzustellen und Kindern zu ermöglichen, selbst ihren Routinen und Verpflichtungen nachzukommen.
Offene Fragen und Reflexionen sind dann angezeigt, wenn das Kind etwa ein Dilemma formuliert, einen Konflikt hat oder eine Lösung sucht. Sobald das Kind zwischen einem Pol und einem anderen schwankt, dürfen wir es mit liebevollen Reflexionen und aktivem Zuhören dabei begleiten, selbst eine Lösung zu finden.
Offene Fragen und Reflexionen sind dann angezeigt, wenn das Kind etwa ein Dilemma formuliert, einen Konflikt hat oder eine Lösung sucht. Sobald das Kind zwischen einem Pol und einem anderen schwankt, dürfen wir es mit liebevollen Reflexionen und aktivem Zuhören dabei begleiten, selbst eine Lösung zu finden.
Events, die dir dabei helfen, besser zuzuhören:
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